Stockwerkeigentümer aufgepasst – Gericht verlangt Rückbau von E-Ladestation

Immobilien News vom 22-01-2022 zum Thema: Ein Besitzer eines Elektroautos muss seine auf eigene Kosten installierte Ladestation in der eigenen Tiefgarage wieder entfernen – Ein Rückschlag für die Elektromobilität wird befürchtet.

Der Einbau einer Ladestation ist formaljuristisch immer ein baulicher Eingriff. Und egal, ob es bereits Vorarbeiten gab oder nicht, über bauliche Eingriffe dürfen und müssen Stockwerkeigentümer immer gemeinschaftlich abstimmen.

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Originalbeitrag aus der Publikation der NZZ am Sonntag. Autor: Jürg Meier. Bild: Monty Rakusen Images.
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Stockwerkeigentümer landauf, landab diskutieren derzeit darüber, ob in ihren Parkgaragen Ladestationen für Elektroautos eingebaut werden sollen. Nicht immer können sie sich einigen. Im Kanton St. Gallen ist nun gar der Einbau einer Ladestation explizit verboten worden, wie zwei aktuelle Gerichtsurteile zeigen, die der «NZZ am Sonntag» vorliegen.

Das Kantonsgericht hat Mitte Dezember einen Entscheid des Kreisgerichts bestätigt. Dieser gibt mehreren Klägern Recht und untersagt es einem Beklagten, «sein Elektroauto oder ein anderes Elektrofahrzeug in der Garage aufzuladen». Der Beklagte muss zudem eine bereits auf eigene Kosten installierte Ladestation entfernen. Es dürfte der erste Gerichtsentscheid sein, der explizit das Aufladen eines Elektroautos in einer Garage verbietet.

Leerrohre waren bereits eingezogen

Auf den ersten Blick überrascht der Entscheid der Gerichte. Denn die 2016 fertiggestellte Garage ist ein bauliches Vorbild: Die Architekten hatten von Anfang an Leerrohre eingeplant. Diese waren explizit dafür vorgesehen, um später Ladestationen für Elektroautos einzubauen. Einige Zeit nach Fertigstellung beauftragte der Besitzer eines Elektroautos dann einen Elektriker, Leitungen einzuziehen und eine Ladestation zu installieren.

Doch im Gerichtsprozess hat sich nun gezeigt: Selbst wenn man Ladestationen grundsätzlich vorsieht, das bedeutet nicht, dass man sie auch bauen kann. Das liegt an der rechtlichen Situation in der Schweiz. Der Einbau einer Ladestation ist laut dem St. Galler Kantonsgericht ein baulicher Eingriff – egal, ob es bereits Vorarbeiten gab oder nicht. Und über bauliche Eingriffe dürfen Stockwerkeigentümer abstimmen.

In einer solchen Abstimmung hatte sich die Mehrheit der Miteigentümer gegen den Einbau von Ladestationen ausgesprochen. Dabei gaben verschiedene Befürchtungen den Ausschlag. Insbesondere, dass es zu einem Brand kommen könnte und dass die Versicherungen die Schäden möglicherweise nicht übernehmen würden. Am Schluss musste der Elektroautobesitzer auf Geheiss der Gerichte seine Ladestation wieder demontieren. Mit dem Urteil dürfte nun definitiv klar sein: Fällen Stockwerkeigentümer einen negativen Entscheid, ist der Einbau von Ladestationen verunmöglicht. Das liegt auch daran, dass es in der Schweiz im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern kein «Recht auf Laden» gibt. Das heisst: Wer sich ein Elektroauto kauft, hat kein Recht, dass sie oder er sein Auto in der Einstellhalle der Miet- oder Eigentumswohnung laden kann. 70% der Schweizer leben in Miete, im Stockwerkeigentum oder in Genossenschaften. Nur wer ein eigenes Haus mit Garage hat, kann ohne Hürden eine Ladestation installieren.

Der Fall in St. Gallen ist längst nicht der einzige, bei dem der Einbau von Ladestationen verunmöglicht wird. Der Elektromobilitäts-Verband Swiss eMobility erhält wöchentlich Anfragen von Mietern und Eigentümern.

Der «NZZ am Sonntag» ist der Fall einer Überbauung in der Nordostschweiz bekannt. Dort lehnte die Mehrheit der 200 Stockwerkeigentümer den Einbau einer Grundinfrastruktur für Ladestationen ab. Kurz danach erreichte ein Merkblatt die Eigentümer: Weil die Leitungen nun nicht verstärkt würden, dürfe nur noch eine kleine Anzahl Ladestationen eingebaut werden. Sei das Limit erreicht, könne die Verwaltung weitere Gesuche ablehnen. Das Urteil aus St. Gallen zeigt: Das ist keine leere Drohung.

Dabei ist bei den Elektroautos ein richtiger Boom ausgebrochen. Erstmals überhaupt hatten mehr als 30% der neu verkauften Wagen in der Schweiz einen Stecker. Zahlen des deutschen Marktforschungsinstituts EUPD Research zeigen: 77% der Ladevorgänge finden zu Hause statt. «Was das Tanken beim Benziner und beim Diesel ist, das ist das Aufladen zu Hause oder am Arbeitsplatz beim Elektroauto», erklärt Jürg Grossen, grünliberaler Nationalrat und Präsident von Swiss eMobility. Doch nun werden die privaten Ladestationen bei der Elektrifizierung des Schweizer Verkehrs zum Flaschenhals. Grossen hat schon vor einem Jahr einen Vorstoss eingereicht, um Elektroautobesitzern ein »Recht auf Laden» zu verschaffen. Seine Motion wurde von einflussreichen Politikern aller Parteien unterschrieben, von den Grünen bis zur SVP. «Dieser Gerichtsfall zeigt erneut, wie wichtig diese Motion ist», sagt Grossen. Angesichts der breiten Unterstützung bei der Einreichung ist Grossen optimistisch, dass der bisher noch nicht traktandierte Vorstoss durchkommen wird. Oder dass er indirekt zu einer Überarbeitung der entsprechenden Gesetzesvorlagen führen könnte.

Als Sofortmassnahme will Grossen gemeinsam mit dem Mieter- und dem Hauseigentümerverband ein Merkblatt veröffentlichen, um Vorurteile abzubauen und den Einbau von Ladestationen zu erleichtern.

Keine Gefahr

Tatsächlich sorgen sich viele Hauseigentümer bei Elektroautos zu Unrecht, wie eine Umfrage bei vier grossen Versicherungen zeigt. «Gemäss unseren Daten geraten Elektroautos nicht häufiger in Brand als solche mit einem Verbrennungsmotor», sagt Axa-Sprecherin Simona Altwegg. Darum gilt: «Elektroautos in Tiefgaragen stellen kein grösseres Sicherheitsrisiko dar als Benzin- oder Diesel-Fahrzeuge.»

Diese Einschätzung wird von der Zurich wie auch der Schweizerischen Mobiliar geteilt: «Aus unserer Sicht spricht nichts gegen den Einbau von Ladestationen in Einstellhallen», sagt Mobiliar-Sprecher Jürg Thalmann. Nicole Hess von Baloise hat Verständnis, «dass aufgrund der neuartigen Technik und der medialen Aufmerksamkeit bei Einzelfällen eine gewisse Skepsis in der Bevölkerung vorhanden ist». Die Verbreitung von Elektroautos und technische Fortschritte «dürften diese Sorgen aber in absehbarer Zeit relativieren».

Falls es dennoch zum Brand käme: Decken die Versicherungen die Schäden? Die Antwort auf diese Frage ist – wie bei Versicherungen üblich – kompliziert. Sie lässt sich so zusammenfassen: Grundsätzlich ja, aber es kommt auf den Einzelfall an. Egal, ob ein Benziner, ein Dieselauto oder ein Elektrofahrzeug in Brand gerät.

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Redaktionelles: Dalpont publiziert kontinuierlich kompaktes Fachwissen und aktuelle Hintergrundinformationen. Gelegentlich auch ganz Aktuelles in eigener Sache. Bleiben Sie auf jeden Fall auf dem Laufenden zu allen Themen rund um Ihre Liegenschaften und Immobilien. 

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Immobilien News vom 22-01-2022 zum Thema: Ein Besitzer eines Elektroautos muss seine auf eigene Kosten installierte Ladestation in der eigenen Tiefgarage wieder entfernen – Ein Rückschlag für die Elektromobilität wird befürchtet.

Der Einbau einer Ladestation ist formaljuristisch immer ein baulicher Eingriff. Und egal, ob es bereits Vorarbeiten gab oder nicht, über bauliche Eingriffe dürfen und müssen Stockwerkeigentümer immer gemeinschaftlich abstimmen.

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Originalbeitrag aus der Publikation der NZZ am Sonntag. Autor: Jürg Meier. Bild: Monty Rakusen Images.
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Stockwerkeigentümer landauf, landab diskutieren derzeit darüber, ob in ihren Parkgaragen Ladestationen für Elektroautos eingebaut werden sollen. Nicht immer können sie sich einigen. Im Kanton St. Gallen ist nun gar der Einbau einer Ladestation explizit verboten worden, wie zwei aktuelle Gerichtsurteile zeigen, die der «NZZ am Sonntag» vorliegen.

Das Kantonsgericht hat Mitte Dezember einen Entscheid des Kreisgerichts bestätigt. Dieser gibt mehreren Klägern Recht und untersagt es einem Beklagten, «sein Elektroauto oder ein anderes Elektrofahrzeug in der Garage aufzuladen». Der Beklagte muss zudem eine bereits auf eigene Kosten installierte Ladestation entfernen. Es dürfte der erste Gerichtsentscheid sein, der explizit das Aufladen eines Elektroautos in einer Garage verbietet.

Leerrohre waren bereits eingezogen

Auf den ersten Blick überrascht der Entscheid der Gerichte. Denn die 2016 fertiggestellte Garage ist ein bauliches Vorbild: Die Architekten hatten von Anfang an Leerrohre eingeplant. Diese waren explizit dafür vorgesehen, um später Ladestationen für Elektroautos einzubauen. Einige Zeit nach Fertigstellung beauftragte der Besitzer eines Elektroautos dann einen Elektriker, Leitungen einzuziehen und eine Ladestation zu installieren.

Doch im Gerichtsprozess hat sich nun gezeigt: Selbst wenn man Ladestationen grundsätzlich vorsieht, das bedeutet nicht, dass man sie auch bauen kann. Das liegt an der rechtlichen Situation in der Schweiz. Der Einbau einer Ladestation ist laut dem St. Galler Kantonsgericht ein baulicher Eingriff – egal, ob es bereits Vorarbeiten gab oder nicht. Und über bauliche Eingriffe dürfen Stockwerkeigentümer abstimmen.

In einer solchen Abstimmung hatte sich die Mehrheit der Miteigentümer gegen den Einbau von Ladestationen ausgesprochen. Dabei gaben verschiedene Befürchtungen den Ausschlag. Insbesondere, dass es zu einem Brand kommen könnte und dass die Versicherungen die Schäden möglicherweise nicht übernehmen würden. Am Schluss musste der Elektroautobesitzer auf Geheiss der Gerichte seine Ladestation wieder demontieren. Mit dem Urteil dürfte nun definitiv klar sein: Fällen Stockwerkeigentümer einen negativen Entscheid, ist der Einbau von Ladestationen verunmöglicht. Das liegt auch daran, dass es in der Schweiz im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern kein «Recht auf Laden» gibt. Das heisst: Wer sich ein Elektroauto kauft, hat kein Recht, dass sie oder er sein Auto in der Einstellhalle der Miet- oder Eigentumswohnung laden kann. 70% der Schweizer leben in Miete, im Stockwerkeigentum oder in Genossenschaften. Nur wer ein eigenes Haus mit Garage hat, kann ohne Hürden eine Ladestation installieren.

Der Fall in St. Gallen ist längst nicht der einzige, bei dem der Einbau von Ladestationen verunmöglicht wird. Der Elektromobilitäts-Verband Swiss eMobility erhält wöchentlich Anfragen von Mietern und Eigentümern.

Der «NZZ am Sonntag» ist der Fall einer Überbauung in der Nordostschweiz bekannt. Dort lehnte die Mehrheit der 200 Stockwerkeigentümer den Einbau einer Grundinfrastruktur für Ladestationen ab. Kurz danach erreichte ein Merkblatt die Eigentümer: Weil die Leitungen nun nicht verstärkt würden, dürfe nur noch eine kleine Anzahl Ladestationen eingebaut werden. Sei das Limit erreicht, könne die Verwaltung weitere Gesuche ablehnen. Das Urteil aus St. Gallen zeigt: Das ist keine leere Drohung.

Dabei ist bei den Elektroautos ein richtiger Boom ausgebrochen. Erstmals überhaupt hatten mehr als 30% der neu verkauften Wagen in der Schweiz einen Stecker. Zahlen des deutschen Marktforschungsinstituts EUPD Research zeigen: 77% der Ladevorgänge finden zu Hause statt. «Was das Tanken beim Benziner und beim Diesel ist, das ist das Aufladen zu Hause oder am Arbeitsplatz beim Elektroauto», erklärt Jürg Grossen, grünliberaler Nationalrat und Präsident von Swiss eMobility. Doch nun werden die privaten Ladestationen bei der Elektrifizierung des Schweizer Verkehrs zum Flaschenhals. Grossen hat schon vor einem Jahr einen Vorstoss eingereicht, um Elektroautobesitzern ein »Recht auf Laden» zu verschaffen. Seine Motion wurde von einflussreichen Politikern aller Parteien unterschrieben, von den Grünen bis zur SVP. «Dieser Gerichtsfall zeigt erneut, wie wichtig diese Motion ist», sagt Grossen. Angesichts der breiten Unterstützung bei der Einreichung ist Grossen optimistisch, dass der bisher noch nicht traktandierte Vorstoss durchkommen wird. Oder dass er indirekt zu einer Überarbeitung der entsprechenden Gesetzesvorlagen führen könnte.

Als Sofortmassnahme will Grossen gemeinsam mit dem Mieter- und dem Hauseigentümerverband ein Merkblatt veröffentlichen, um Vorurteile abzubauen und den Einbau von Ladestationen zu erleichtern.

Keine Gefahr

Tatsächlich sorgen sich viele Hauseigentümer bei Elektroautos zu Unrecht, wie eine Umfrage bei vier grossen Versicherungen zeigt. «Gemäss unseren Daten geraten Elektroautos nicht häufiger in Brand als solche mit einem Verbrennungsmotor», sagt Axa-Sprecherin Simona Altwegg. Darum gilt: «Elektroautos in Tiefgaragen stellen kein grösseres Sicherheitsrisiko dar als Benzin- oder Diesel-Fahrzeuge.»

Diese Einschätzung wird von der Zurich wie auch der Schweizerischen Mobiliar geteilt: «Aus unserer Sicht spricht nichts gegen den Einbau von Ladestationen in Einstellhallen», sagt Mobiliar-Sprecher Jürg Thalmann. Nicole Hess von Baloise hat Verständnis, «dass aufgrund der neuartigen Technik und der medialen Aufmerksamkeit bei Einzelfällen eine gewisse Skepsis in der Bevölkerung vorhanden ist». Die Verbreitung von Elektroautos und technische Fortschritte «dürften diese Sorgen aber in absehbarer Zeit relativieren».

Falls es dennoch zum Brand käme: Decken die Versicherungen die Schäden? Die Antwort auf diese Frage ist – wie bei Versicherungen üblich – kompliziert. Sie lässt sich so zusammenfassen: Grundsätzlich ja, aber es kommt auf den Einzelfall an. Egal, ob ein Benziner, ein Dieselauto oder ein Elektrofahrzeug in Brand gerät.

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